Dienstag, 20. Juli 2010

Rolling Eyeballs

In der deutschen Juli-Ausgabe einer International vertretenen Musikfachzeitschrift habe ich heute mal wieder über die verheerenden Auswirkungen illegaler Musik-Downloads gelesen. Renommierte Werbefirmen waren aufgerufen dem geneigten Musikfan die Tragweite solch illegaler Machenschaften zu verbildlichen. Das Ergebnis war erschütternd und peinlich und hat mein Abo nahezu selbständig gekündigt.

Musik zu produzieren ist heute in etwa so einfach wie Eier hart zu kochen. Ein Überangebot an hervorragend ausgebildeten Studiomusikern würde töten um für wenige Euro am Tag Karnevals-Musik einzuspielen. Gute Aufnahmetechnik ist so billig wie noch nie, Personal sowieso. Wenn U2 es darauf anlegen würde, könnte die Band ein neues Album für weniger als 10.000 Euro produzieren und der Qualitätsunterschied wäre für 95% der Hörer und 90% ihrer HiFi-Anlagen gar nicht bemerkbar. Jeder weiß wie teuer ein neues Album ist und kann sich denken wie groß eine Gewinnspanne in diesem Geschäft sein kann. Nun, ich behaupte nicht das U2 "nur" 10.000 Euro in ihr neues Album stecken, aber ich weiß das kleinere und dennoch recht erfolgreiche Bands deutlich weniger investieren.
Die bittere Tatsache ist, dass wir Konsumenten nicht primär an die Leute bezahlen die (neben der Band) aktiv an der Musik mitgewirkt haben. Studios, Studiomusiker, Techniker, Artdirector und Produzenten sind alle schon zu Niedrigpreisen bezahlt worden wenn die CD in die Presse geht. Von den fallenden Produktionskosten hingegen profitieren nur die Plattenkonzerne und der Handel. Der Musiker darf sich freuen wenn er 10% an jeder CD verdient. Und deshalb interessiert es auch nur die wenigsten Musiker wie die Leute an ihre Musik kommen...

Plattenverkäufe brechen ein, Plattenkonzerne gehen pleite und Musiker landen nichtstuend auf der Strasse und die Musik stirbt aus, richtig? Nicht ganz... Tatsache ist, dass es heute mehr Bands, Musiker und Ensembles gibt als jemals zuvor. Es wird mehr Musik veröffentlicht und die Hörerschaft wächst stetig. Fast jedes Kind erlernt heute irgendein Musikinstrument, Schülerbands gibt es wie Sand am Meer und an jeder Ecke erwartet uns "the next big thing". Musik ist in allen Belangen so beweglich wie nie. Kurzum, der Musik geht es so gut wie selten. Nur leider passt das irgendwie nicht in die Bilanzen...
Junge, musikalisch erfolgreiche Bands haben sich heute schon lange davon verabschiedet mit CD-Verkäufen reich zu werden. Und das ist gut so. Klar, Talent hat seinen Preis aber ich bin nicht gewillt einem 18jährigen Sänger den ersten Porsche zu finanzieren (und ich bin Kapitalist!). Der Profi-Musiker ist heute eben keine Randerscheinung mehr und er wird sich mit einem halbwegs durchschnittlichen Gehalt zufrieden geben müssen. Ich kann daran nichts Schlimmes erkennen.

Eigentlich sollte heute jede Musik legal frei verfügbar sein. Ohne Qualitätsverlust und in digitaler Form. Wer, wie ich gerne eine CD in der Hand halten will der muss eben 4-6 Euro dafür bezahlen und bekommt dafür einen habtischen Tonträger und ein schönes Booklet. Dieser geringe Betrag sollte völlig ausreichend sein um die CD-Produktionskosten und Versand zu decken. Der Künstler verdient an Live-Auftritten, Merchandising und Werbung schon genug um sich und seine Familie zu ernähren. Musik kann nur ein Anreiz sein! Mit einer großen Plattenfirma im Nacken hat er früher auch nicht mehr verdient.

Ich bin davon überzeugt das in den nächsten Jahren mehr unabhängige Berater, Vermittler und Labels in der Musikindustrie eine Rolle spielen werden. Die Verträge werden zeitlich nur noch sehr begrenzt sein (auf Projektbasis) und wahrscheinlich nicht mehr erfolgsabhängig honoriert sein. Der einzelne Musiker wird mehr Risiko tragen , aber auch deutlich höheren prozentualen Gewinn haben. Ich gehe davon aus, dass einige Musiker weniger verdienen werden, aber insgesamt mehr Musiker von der Musik leben können. Musik ist kein elitärer Klub für einige wenige Bands mehr. Dafür sind unter anderem auch die Millionen Kids bei denen die DSL Leitung glüht verantwortlich.